Mit Linus nach Polen (und wieder zurück)

Stuttgart - Vorpommern - Hinterpommern - Halle - München
Frederik bekam von den Großeltern aus Buxtehude zur Konfirmation einige Tage Rom geschenkt. Die beiden fahren mit dem Zug von Hamburg nach München. Wir steigen in Würzburg in den gleichen Zug ein, fahren bis Nürnberg mit und übergeben Frederik zu treuen Händen. Hier trennen sich unsere Wege. In fünf Tagen wollen wir uns in München wieder treffen. Linus und ich haben keinen konkreten Plan, außer dass wir in diesen Tagen die polnische Ostseeküste erreichen wollen.

Nürnberg. Ab hier geht es nach Nordosten



Wir fahren an dem Nachmittag noch hinauf bis Pasewalk, wo wir gegen 22 Uhr ankommen. Dort übernachten wir zu Linus´ Überraschung im historischen Bahnbetriebswerk in Schlafwagen des ehem. DDR-Regierungszuges.



Willkommen in den 1980ern!
Keine Luxusherberge, aber absolut originell - und das erste Mal in einem Schlafwagen, der am nächsten Morgen noch genau dort steht wie am Vorabend. Wir schlafen die beiden Nächte hier wie die Steine! Gerne wieder.



Frühstücksbuffet im Lokschuppen.






Das angeschlossene Museum darf man als Schlafgast auch besuchen.



Nebenan stellt die Deutsche Bahn ihr Fahrzeuge ab.



An Rande einer kleinen Draisinenstrecke stehen einige Bahn-Gebäude im Miniaturformat.
Gulliver.



Pasewalk. Bei einem ICE bleiben die Menschen hier noch stehen.



DDR.



Wir fahren auf die Nebenbahn nach Ueckermünde. Selfie nach der Ankunft an der Endstation "Stadthafen".



Der Namensgeber. Nett!






Von der Stadt läuft man etwa 2 km durch die Felder zum Strand an der Ueckermündung. Die Ostsee hat Mitte Juni etwa 15°C. Aber nachdem Linus tapfer reingeht, kann ich natürlich kein Feigling sein.
Endlich am Meer! Hinten auf backbord die Insel Usedom.





Die Ueckermündung. Mini-Seenotrettungskreuzer.



Zurück in Pasewalk.



Pasewalk downtown.
Leider, wie viele ostdeutsche Kleinstädte, um 20 Uhr nahezu klinisch tot. In einem türkischen Imbiss gibt es immerhin noch einen frischen Hamburger für uns.



Zurück in unserem Betriebswerk.
Die DB-Triebwagen begeben sich auch zur Nachtruhe. Es herrscht ein friedliches Miteinander, unser Herumlaufen stört dort auch niemanden.



Am nächsten Tag hüpfen wir nach nach Polen hinüber. Ziel ist am Nachmittag das etwa 80 km nordöstlich gelegene Kołobrzeg/Kolberg an der Ostseeküste. Wir fahren aber zunächst in östliche Richtung mit einem D-Zug über eine Nebenbahn quer durch das Hinterland.
Von Stettin über Bromberg/Bydgoszcz und Warschau bis fast an die ukrainische Grenze - der Zug hat noch ein paar Meter vor sich.



Man bedient sich bei der Traktion tschechischer Taucherbrillen.



Abzweig ins Hinterland.



Fenster auf, Rübe raus! Drei Stunden gemütliches Reisen am offenen Fenster in vier, fünf, sechs... eigenen Abteilen.






In Piła/Schneidemühl steigen wir in einen Intercity nach Norden an die Ostsee um. Der Schaffner meint, wir müssten noch nachlösen, weil die Kinderermäßigung für Linus nur für polnische Kinder gälte. Hallo, EU? Dann verschwinden wir direkt im Speisewagen. Es gibt - typisch polnisch - Fleisch, Kartoffel und Rohkost, übrigens frisch gekocht bzw. gebraten.
Vorher...



...und nachher! Es hat offenbar geschmeckt.



Einmal müssen wir noch in Koszalin umsteigen. Es ist wieder ein D-Zug, dieses Mal die XL-Variante. Fenster auf, Rübe raus!
Ausnahmsweise ohne Sonne: am offenen Fenster genießen wir die letzten Kilometer an die Ostsee.



Angekommen! Kolberg, 21 Uhr. Wie wunderbar, diese endlosen Sommertage im Norden!
Linus sitzt im "singenden Sand" der polnischen Ostseeküste. Wenn man hier über den feinsandigen Strand geht, macht er unter den Füßen singende Geräusche.



Das Einweg-Geschirr täuscht: An der Strandpromenade gibt es feinen, frisch zubereiteten Dorsch, dazu diverse Soßen nach eigener Auswahl...



...und zum Nachtisch noch eine Waffel.









Unsere Wohnung, ein Glücksgriff: Günstig geschossen, zwei Zimmer und Küche, und alles direkt am Hafen mit dem Leuchtturm und 3 min zum Strand.



Der Blick aus dem Fenster.



Für zwei Nächte lohnt es sich nicht, den Kühlschrank zu füllen. Also lassen wir es uns beim Frühstück am Hafen gutgehen.



Blicke vom Leuchtturm.




(Foto: Linus)


...und wenn jetzt noch ein Güterzug entgegen kommt?



Wir wollen eine Schmalspurbahn an der Küste besuchen. Leider merke ich mir für den Zug in die Richtung eine falsche Abfahrtszeit ab Kolberg. Ärgerlich! Wir fahren mit diesem Taxi hinterher und frischen beim Fahrer unsere Polnisch-Kenntnisse auf.
Trzebiatów, Bahnhof. Unser Taxi als persönlicher Schienenersatzverkehr



Die letzten Kilometer an die Küste fährt uns dieser überaus moderne Bus, der lt. Hinweis-Aufklebern im Inneren einst in Frankreich seinen Dienst verrichtete.



Auf perfekt sanierter Infrastruktur pendelt diese Schmalspurbahn tagsüber mit offenen Wagen zwischen mehreren Badeorten (Rewal, Horst u.a.) an der Küste hin und her. Bei der letzten Pendelfahrt fahren wir mit.
Kein Fotohalt. Lokschaden.



Eine Landschaft zum Entschleunigen!
Das interessanteste Stück ist die Fahrt zum Bahnbetriebswerk, das in Gryfice/Greifenberg etwa 25 km im Landesinneren liegt. Dabei darf man auch mitfahren. Dorthin geht es auf original polnischem Schmalspurgleis (unsaniert) schaukelnd und schlingernd mitten durch die wunderschönen Weiten Hinterpommerns.



Dieses und das folgende Bild entstanden bei einem vorherigen Besuch 2017.






Wegen des Lokschadens verpassen wir in Gryfice den Anschlusszug zurück nach Kołobrzeg. Die eineinhalb Stunden bis zum nächsten Zug verbringen wir in der kleinen Stadt, kaufen noch etwas ein und besuchen den Rynek, wie der Marktplatz in Polen heißt. Im Gegensatz zu Ostdeutschland ist hier auch abends um 21 Uhr noch Volk in der Stadt unterwegs.
Gryfice, Rynek mit Wasserspielen und der vertrauten Kulisse mächtiger Backsteingotik.



Last train to Kolberg!



Nächster Morgen, letzter Blick aus dem Fenster, dann müssen wir Abschied nehmen vom Baltischen Meer. Schön war´s, nur natürlich viel zu kurz.
(Handy-Foto)






Zurück in Stettin. Auf der direkten Strecke nach Angermünde (- Berlin) ist Schienenersatzverkehr angesagt, aber darauf haben wir keine Lust.



Wir essen in Szczecin Główny noch einen Happen...




...und reisen via Pasewalk - Neubrandenburg - Neustrelitz Richtung Berlin. Belohnt werden wir dafür mit einem Interregio-Wagen im (Ersatz-)IC Neustrelitz - Berlin. Fenster auf, Rübe raus!



Gesammelte Fahrkarten aus Polen.




In Berlin besuchen wir das West-Zentrum um Gedächtniskirche, Bahnhof Zoo und KaDeWe. Linus möchte noch ein Modellbahngeschäft besuchen. Aber: überall Polizei?



Alles abgesperrt? Ein Polizist erklärt uns, dass kurz vorher ein Auto in eine Fußgängergruppe gefahren sei und dann im Schaufenster einer Parfümerie einschlug. Wie krank muss jemand sein, das zu machen?



Aus der Gruft des Mehdoniums (Berlin Hbf Tiefgeschoss)...



...fahren wir abends nach Halle weiter, um dort am Hallmarkt zu übernachten.
Ein erlebnisreicher Tag geht zu Ende: heute früh haben wir noch in Kolberg gefrühstückt.



Der nächste Morgen. Wir laufen durch Halles gute Stube und steuern dann zur Weiterfahrt Richtung München den Bahnhof an.
Schon wieder Polizei? Es gab eine Bombendrohung, der Hallesche Hauptbahnhof ist erst einmal abgesperrt.



Dann Entwarnung, wir dürfen passieren. Nach München wollen wir aber das erste Stück nicht mit dem ICE fahren. Wegen des 9-Euro-Tickets haben die Kollegen in Sachsen-Anhalt und Thüringen im Saaletal ältere Züge mit viel Platz einsetzen lassen. Hier lässt es sich gediegen reisen!
Da lohnt sich auch ein 1.-Klasse-Update! Das will aber nicht einmal jemand sehen.



Zum letzten Mal: Fenster auf, Rübe raus
(Handy-Foto)!



Gut versorgt sind wir auch, nachdem wir zuvor in Halle beim Werksverkauf vorbeischauten.



Die letzten Kilometer von Bamberg nach München legen wir in einem Abteil eines ICE 1 zurück und treffen uns dann mit den Rom-Heimkehrern in der Stadt - ein standesgemäßer Abschluss einer schönen Tour mit dem "kleinen" Sohn!




www.desiro.net