Ostpolen und weiter:
Vier Tage dies- und (im) Jenseits der Karpaten


Noch ist Polen nicht verloren, so lange es Brühpolnische gibt!



Julian Nolte & Heiko Focken

Prolog:

Dzien dobry!

Reiseberichte und Bilder aus Pommern, von der Ostbahn oder (Nieder-)Schlesien sind in den einschlägigen Foren desöfteren zu sehen. Doch ist Polen nicht nur nicht verloren, wie es in der dortigen Nationalhymne ängstlich-selbstbewusst heißt, sondern jenseits von Gorzów Wielkopolski und Jelenia Hirschberg auch noch nicht zu Ende. Noch lange nicht! Ziemlich groß ist die benachbarte Volksrepublik, die wir in den kommenden zwei, drei Tagen einmal in einer eher unbekannten Gegend aufsuchen möchten: ganz unten rechts auf der Landkarte, im Dreiländereck zur Ukraine und zur Slowakei. Und schließlich noch darüber hinaus. Aufhänger der Tour ist der überraschend wieder aufgenommene, saisonale Wochenend-Grenzverkehr in den Wäldern der Karparten zwischen Łupków und dem slowakischen Medzilaborze. Wer weiß, wie lange so etwas Bestand hat. Getreu dem Motto des frühen Vogels machen wir uns also auf die Würmer. Die Einreise erfolgt über die Oder-Neiße-Friedensgrenze bei Frankfurt an der Oder.

In diese Gegend wollen wir fahren. Basislager ist Rzeszów.
Quelle: PKP.

Odjazd!
:

Das Vorprogramm vor dem Sprung über die Neiße sieht aus wie in der DDR, ist aber noch nicht einmal Polen:
Strabsen-Endhaltestelle Lebuser Vorstadt in Ffo. "Lebuser Vorstadt" - heißt so, wie es aussieht. Der ebenfalls schon zwei Jahrzehnte alte MAN-Triebwagen nimmt sich zwischen grauen Betonmasten, lieblos gesetzten Bordsteinkanten und suburbaner Nachwende-Tristesse aus wie ein Ufo. Ein oller Tatra KT4 hätte das Ensemble stilecht vervollständigt.


Witamy in Polen! Das Essen im Speisewagen (faschierte Brühpolnische mit Danziger Allerlei an buntem Salatbukett "Solidarność") war schärfer als das Bild.


Wir erreichen Poznan-Wilhelmshöhe und überqueren für dieses Foto die Sektorengrenze (rechts).


Die polnischen Tarifbestimmungen mit unzähligen Bahnverwaltungen, Reservierungspflichten und gegenseitigen Nicht-Anerkennungen sind ungefähr 10 x dicker als die amerikanische Unabhängigkeitserklärung.
Wer für den Fahrkartenkauf nicht 20 min in der Schlange dieses modernen Reisezentrums stehen möchte, um dann doch nur "niemam, niemam" (zu deutsch: hamwa nich, kriegenwa auch nicht wieder rein) zu hören bekommen, kann sich stattdessen vertrauensvoll an VEB Taxi wenden.


Hier gibt´s Geld von verschiedenen Anbietern. Jeder hat sich auf ein Produkt spezialisiert. Das reduziert die technische Komplexität der jeweiligen Automaten, die daher auch von russischen Firmen günstig hergestellt werden können. Der blaue Automat etwa verkauft nur blaue Geldscheine, der grüne Automat grüne Scheine usw.. Der gelbe verkauft Falschgeld, denn es gibt keine gelben Zloty-Scheine.
Wer sich rechtzeitig auf einen bestimmten Betrag festlegt, der kann einen 100-Zloty-Schein schon für weniger als 101 Zloty kaufen.


Ein Elf auf Gleis Zehn. Kann aber auch Gleis sechs gewesen sein. Dann gibt´s was auf die Zwölf, wenn man nicht Acht gibt.


Anschließend schreiten wir zur Nahrungsaufnahme nach Posen Downtown. Zu Johannes´ Entsetzen steigen Julian und Heiko dazu einfach in die nächstbeste Straßenbahn, die gerade am Bahnhof vorbeikommt. Die fährt zwar, wie wir feststellen, leider nicht in die Innenstadt, aber das macht nichts. Eine Station später steigen wir deshalb schon wieder aus und laufen ins Zentrum.

Zauberwürfel (polnische Raubkopie)


Gegen 21:45 Uhr besteigen wir den Transpolanski-Nachzug "Przemyślanin" von Stettin (ganz im Nordwesten) nach Przemyśl (ganz im Südosten). Die Schlafwagen bestehen aus top-modernisierten volkseigenen Görlitzer Rumpelkisten, die aber nicht mehr rumpeln. Wie modern der Wagen ist sieht man daran, dass der Genuss von E-Zigaretten ausdrücklich verboten ist. Fehlt nur noch ein Symbol mit durchgestrichener Shisha-Pfeife. Im Mäusekino über der Tür werden wechselweise der Laufweg des Zuges, der aktuelle Namenstag - in Polen fast wichtiger als der Geburtstag - und der Zugname angezeigt. Przemyślanin hört sich ausgesprochen etwa so an wie ein saftiger Nieser bei Erkältung, etwa weil man die Klimaanlage (oben rechts) zu kalt gestellt hat. Dort wird wechselweise Temperatur und Uhrzeit angezeigt. Letztere liefert sich mit der Uhrzeit im Mäusekino während der ganzen Fahrt einen verbissenen Kampf um die frühere Ankunft.


Weil es bei der Ankunft in Rzeszów wettermäßig nicht so dolle aussieht beschließen wir, heute einen Fahrtag mit dem Zug einzulegen. Den vorab reservierten Mietwagen will Johannes telefonisch abbestellen. Dazu muss er sich zunächst für teure Telefongebühren rund 10 min durch automatische Telefon-Weiterleitungen quälen ("...dann drücken Sie die 1)", um schließlich mit dem Begehr einer Auslandsstornierung doch bei einem Menschen zu landen. Kundendienst bei Avis... Wer schimpft da noch auf unsere DB?
Unser abbestellter Mietwagen.



Auf dem Nachbarbahnsteig in Rzeszów steht ein D-Zug, bespannt mit einer Gama-Diesellok, der laut Kursbuch eigentlich schon längst hätte abgefahren sein sollen. Ohne genau zu wissen, wo der eigentlich hinfährt, springen wir hinein und genießen auf frisch sanierter Strecke (KBS 126) mit 120 km/h die Fahrt am offenen Fenster. Man fährt uns in nördliche Richtung. Im Bahnhof namens "Auto Usługi", gelegen im Ortsteil M-Car, treffen wir das erste Mal auf dieser Reise auf SA134-022.
Polnische Neubautriebwagen sind berüchtigt dafür, plötzlich einmal liegen zu bleiben. Deshalb lohnt es sich in Polen, auch an völlig bedeutungslosen Bahnstationen einen Automobilhandel zu betreiben. Die Angebote des Tages werden den im Hinterland gestrandeten Fahrgästen vom Händler über spezielle blaue Lautsprecher direkt auf den Bahnsteig ausgerufen.


Auch zwei parallel fahrende Güterzüge kommen uns entgegen.


Eine Soda-Brücke. Die steht einfach nur so da. Sollte mal ein Anschluss zu einem Tagebau oder zu einem Führerbunker werden, zu dem dann der Goldschatz der Nazis gebracht werden würde. Der Schatz liegt aber ganz woanders, wie wir nachher noch sehen werden.


Schaffeuse und inverse Pinguine bei der Wallfahrt. Die leben nicht am Südpol, sondern in Südpolen. Wir vermuten, dass sie in die nahe Wojewodschaft Heiligkreuz reisen.


Pssst! Wenn das die Bahn-Hilfssheriffs sehen würden! Und sogar noch ohne Warnweste!


Rausspringen, vorlaufen, rüberrennen (und hoffen, dass der Zug noch ein wenig stehen bleibt) und fotografieren - Fuzzyalltag. Ergebnis: unser Zug von eben von außen. Es zieht Vasco da Gama mit typischer Pesa-Visage.


Geschafft! Gleis- und Gesetzesüberschreitung sind ohne Ahndung durch die Staatsmacht oder das DSO-Tribunal gelungen! Schnell ein paar Herztropfen eingeträufelt und von der Aufregung erholt.


Dann reißt uns die Motivklingel aus dem Schönheitsschlaf, und unter den Augen des desinteressierten Fahrdienstleiters beziehen wir im Südkopf des ziemlich motivlosen Bahnhofes Position. Im Fahrplan kündigt sich der TLK "Mierzeja" an. Es gehört schon eine gewisse Leidensfähigkeit dazu, mit diesem Zug den Gesamtlaufweg zu fahren:
Als wir die Fuhre gegen 11:45 Uhr bei der Ausfahrt aus Tarnobrzeg ablichten, ist diese bereits satte 14 Stunden aus dem fernen Hel an der Ostsee unterwegs. Weitere zweieinhalb Stunden und ein weiterer Lokwechsel zur Fahrt nach Przemysl sollen noch folgen. Danach ist man urlaubsreif und kann gleich wieder zurück fahren.


Bei der Fahrt mit dem Stadtbus vom Bahnhof nach Tarnobrzeg Downtown (Linie B oder 10, falls es jemand nachmachen will) haben wir eine Begegnung der dritten Art: mitten in einem Wohngebiet wird der Bus von der Polizei gestoppt. Ein Polizist steigt ein und lässt die Fahrerin mal kräftig blasen (...was ihr jetzt wieder denkt! Pfui!). Anschließend geht der Wachtmeister zu seinem Auto und untersucht mit seinem Kollegen das Ergebnis. 5 min später dürfen wir dann weiter fahren. Weitere Kraftfahrer werden danach offenbar nicht kontrolliert, denn wenige Minuten später kommt uns das Polizeiauto in einer anderen Straße entgegen.


Der Marktplatz von Tarnobrzeg, an dem sich der örtliche Hersteller von Verbundpflaster gesundgestoßen hat, wird von wunderschönen historischen Gebäuden umrahmt. Dahinter sieht man die Kirche zum heiligen Bimbam. Leider hat der Fotograf seinen Apparat etwas schief gehalten. Gut, das wenigstens die Laterne gerade stand.


Der Tarnobrzeger Marktplatz entpuppt sich jedoch als kulinarisches Notstandsgebiet: es gibt nur Blumengeschäfte, Eisbuden, Handy-Geschäfte und natürlich Laternen, aber keine polnische Wirtschaft. In einer Seitenstraße finden wir aber doch eine original polnische Speisegaststätte.
In erwartungsvoller Vorfreude auf den sich anschließenden Verzehr wird das Hauptgericht für die desinteressierte Nachwelt mobiltelefonisch festgehalten. Julian wählt die Zapiekanka "Bagety polska", sozusagen die polnische Antwort auf "Baguette rot-weiß".


Mit vollen Bäuchen darf man diesen Balkon nicht mehr betreten.


Wir fahren mit dem Bus zurück zum Bahnhof (dieses Mal ohne Stopp durch die örtliche Rennleitung) und dann mit dem Triebfix namens SA134-022 weiter nach Stalin Rotz..., nein, nach Stalowa Wola Rozwadow. Viele Stationen heißen hier "Kierunek".


Stalowa Wola! Klingt nach Schwerindustrie, Schweiß und Dreck. Ist aber bloß ein mittelprächtiger Vorstadtbahnhof mit einem ziemlich leeren Empfangsgebäude in gemindertem Bauzustand, vor dem wir SA134-022 verpixeln. Was es mit dem Formsignal hinter dem Autobus Szynowy auf sich hat, werdet ihr bald erfahren.


Stalowa Wola hat laut Wikipolonia zwei bekannte Söhne hervorgebracht: Einen Comiczeichner namens Grzegorz Rosinki und einen Mixed-Martial-Arts-Kämpfer namens Krzysztof Soszynski. Nun wissen wir das also auch. Nun müssen wir nur noch wissen, was Mixed Martial Arts sind.
Julian überbrückt die Zeit mit der dezidierten Dokumentation einer Dampflok-Achswelle. Das ist so etwas ähnliches wie es die DB bei ihren Neigezügen immer macht.


Ein anderer Herr war dem Radsatz nicht ganz so zugeneigt.


Street"life" of Stalowa Wola.


In der Bahnhofsstraße gibt's bei diesem Anblick wahrscheinlich einen Entenorgasmus.


Historische Fahrzeuge in Stahlwolle: teutonischer Wurstkessel (kalt, aber nett arrangiert)...


...und Kiebl (unbequem). Sogar die Weide trauert, obwohl die gar nicht mitfahren muss.


Julian überbrückt die Zeit mit der dezidierten Dokumentation einer Triebwagen-Laterne! Aus der polnischen Übersetzung des Märchens "Rotkappe und der böse Kiebl" stammt auch der Ausspruch: Oh Zug, warum hast du so große Augen?


Jüngere Zeitgenossen denken bei diesem Augen-(An)blick wohl eher an die Minions:


Wer denkt sich nur immer diese Muster von Sitzpolstern in Bussen und Bahnen aus? 1-jährige Kinder oder Schimpansen? Sieht es bei den Designern im Wohnzimmer auch so aus? Da kriegt man ja Augenkrebs! Mehr davon: www.sitzmusterdestodes.com.


Julian überbrückt die Zeit mit der dezidierten Dokumentation eines Streckenblicks einer langweiligen Bahnstrecke im polnischen Mittelland (sieht so ähnlich aus wie kurz hinter Frankfurt/Oder).




In Przeworsk hat uns so etwas wie die Zivilisation wieder, zumindest bei der Eisenbahn. Der nächste Zug nach Rzeszów ist ein Intercity. Den lassen wir aber fahren und nehmen 10 min danach den Personenzug, weil wir Kibel-Fahren so geil finden. O.k., das war jetzt gelogen. Das Beschränken auf Osobowys hat den Fahrkartenkauf allerdings deutlich erleichtert (wehe dem, der in Polen die Zuggattung wechselt! Tarifabitur ist Voraussetzung!) und nebenbei noch verbilligt.


Nach Bezug unserer Unterkunft (Hotel Polonia, direkt gegenüber Rzeszow Hbf) erwarten wir und zahlreiche echte Beförderungsfälle die Rückleistung "unseres" Nachtzugs. Die Schaffnerin der Vornacht erkennt uns auch direkt wieder.


Das Geld, das wir vorhin durch die Nicht-IC-Nutzung gespart haben, wollen wir in kulinarische Kultur am Rynek (Markplatz) in den darbenden polnischen Wirtschaftskreislauf zurück fließen lassen. Dann muss Deutschland auch nicht mehr so viel EU-Hilfen nach Polen zahlen. Also, nett ist es hier! Leider werden wir von den überforderten Bedienungen nicht bedient.
Der Abend endet deshalb ziemlich ordinär mit einem Hamburger + Frytki an einer ambulanten Fressbude am Bahnhof und einer Kugel Eis.


Das Tagesprogramm wird vom letzten Vasco des Tages beschlossen. Zu später Stunde machen sich von Rzesów zwei Kurswagen aus Breslau via Auto Usługi, Tarnobrzeg und Stahlwolle durch´s Hinterland auf den Weg nach Zamość, nahe der ukrainischen Grenze (s. Karte am Anfang dieses Beitrages).
Keck blinzelt uns Gama mit dem rechten Auge zu (= das, auf dem die polnische Regierung blind ist), als wolle er uns zum Mitfahren verführen. So ein Schelm aber auch, tztztz!


Am nächsten Tag geht es in südliche Richtung.

Während Heiko am neuen Morgen dank besserer Wetterprognose nun doch noch einen Leihwagen anlei(h)ert, bevorzugen Julian, Johannes und eine Vielzahl anderer Menschen erstmal eine Fahrt mit der nur am Wochenende verkehrenden Schmalspurbahn Przewąsk - Dynów.


Nach der anfänglichen Fahrt durch Rübenfelder, geht's ab dem Mittel der Strecke in eine Gegend, die an das Waldviertel denken lässt. Kein Wunder, immerhin ist die Bahn auch von den Ösis gebaut worden. Höhepunkt ist dann die Fahrt durch Polens einzigen Schmalspurtunnel. Da wird's dann auch schwierig mit der Belichtung. Aber so bleibt der hier geparkte Nazizug mit der goldenen IV K wenigstens unser Geheimnis.


Hinter dem Tunnel gibt's eine 10-minütige Pinkelpause, welche die meisten Fahrgäste jedoch dazu nutzen, sich dieses polnische Nationalheiligtum näher anzuschauen. Hallo UTK! Unser EBA hätte solche Eskapaden längst verboten!


Hinter dem Tunnel taucht dann auch Heiko an der Strecke auf.

(Das bin aber nicht ich, sondern der Zug, der da auftaucht / gez. Heiko)

Der Sozialisbus siecht! Trotzdem hat die Straße längst die realen Verkehrsaufgaben der Schmalspurbahn übernommen.
Diensthabender Kraftomnibus entstammt dem Hause Autosan (?). Diese Firma residiert - gar nicht weit weg von hier - in Sanok am Fluss San und ist noch immer aktiv: http://www.autosan.pl/

Feld-Bahn.






Vertraute Devotionalien teutonischer Bahntechnik, und das kurz vor Moskau!


Auf dem Weg ins Dreiländereck Polen-Slowakei-Ukraine treffen wir auf diese nicht ganz EU-richtlinienkonforme Hängebrücke über den San, die sogleich einer Begehung und eines Wackeltests unterzogen wird. Hinten stehen mehrere Autos am San, also alles irgendwie Autosans.


Wir nähern uns der KBS 131 Richtung Sanok, die mit einem täglichen und einem Wochenend-Reisezugpaar den südöstlichsten Winkel Polens an den Rest des Landes anschließt.
Nachwirkungen der sozialistischen Mangelwirtschaft gibt es aber nicht nur im Fahrplan, denn man kann nicht alles haben. Entweder Bahnübergang mit Sonne, aber ohne Zug...


...oder ohne Sonne, dafür aber mit Zug. Hier sieht man, weshalb es in Stuttgart bald Fahrverbote gibt. Vor Anstrengung quellen dem Krabbenkutter fast die Augen aus dem Kopf.


In Sanok (wir erinnern uns: da wo der Autosan herkommt) treffen wir auf... Genau: SA134-022 zum 3.! Damit ist zu 87% bewiesen, dass es südöstlich von Warschau nur diesen einen einzigen Triebwagen gibt.
Wie ihr links sehr haben wir das Dixiklo vom Bahnübergang mitgenommen, falls wir mal müssen.


Julian überbrückt die Zeit mit der dezidierten Dokumentation der Zielbeschilderung Medzilaborce, zu deutsch "Medizinlabor".


Dabei geht's hierbei doch eigentlich nur darum, wieder Bildmaterial für anstehende Präsentation zum Thema "Cross-border rail transport in Europa" zu sammeln.


Wenn es denn überhaupt soweit kommt: Denn immer wieder gibt es tragische Verlusten unter uns Hobbykollegen, wenn sie in vermeintlicher Kenntnis des Fahrplans von einem herannahenden Zug überrascht werden. Das ist dann zu erkennen, wenn bei Ebay auf einmal mehr Kameras als üblich angeboten werden.


SA134-022 auf dem Weg zur slowakischen Grenze. Hier sind die Masten des Daily Telegraph sogar aus Holz und nicht, wie sonst in Polen, aus Beton.


Rechtzeitig zum Zug schiebt sich der SvD (Schlonz vom Dienst) vor die Sonne.


Aber dennoch: wunderschön ist es hier, ganz im fernen, vergessenen Südosten des Landes. Fast so wie bei uns in der Gegend um Zittau und Görlitz. Hinten sieht man die Landeski Korun.


Das schlechteste Bahn-Bild der Tour.


Und die schlechtesten Bahn-Fotografen der Tour.


Nach diesem Reinfall bringen wir den Mietwagen zum Flughafen Rzeszów zurück. Im Flughafengebäude rangiert eine V 90.


Wenn der Brexit vollzogen ist, können sie in Rzeszów ihren Flughafen dicht machen.


Der nächste Morgen - ein Sonntag - graut grausam. Denn schon weit vor dem Aufstehen, um 05:53 Uhr, startet von Rzeszów aus der einzige Zug des Tages, welcher im kurzfristig aufgenommenen Saisonverkehr in tiefster Waldeinsamkeit den winzigen Grenzübergang Łupków hinüber ins slowakische Medizinlabor überquert. Klar, in welchen Triebwagen wir heute fahren: SA134-022 zum 4.! Satte viereinhalb Stunden rollt er mit uns durch das sonnige Karpartenvorland.
Aufnahme beim Stürzen in Jasło. Zu deutsch: Jassel. Kennt aber keiner. Links die restlichen 13% Triebwagen südöstlich Warschaus.
Die Fahrkarte ist irgendein Sondertarif. Tickets nach Medzilaborce lassen sich im Europa des Jahres 2017 leider nicht verkaufen. Also gibt es eine Fahrkarte nach Łupków, die den Vermerk enthält, dass sie bis Medzilaborce gilt. Interessanterweise nennt sich dieser polnisch-slowakische Grenztarif "Spezialpreis" (auf deutsch!) Polregio. Ein Bild davon gibt es am Schluss dieses Beitrags.


Zunächst herrscht noch freie Platzwahl...


...doch dann wird der Triebfix überraschend-erfreulich voll, dass es zwischen Sanok und den Wäldern im Grenzland kaum noch Sitzplätze gibt. Auf der Fahrt durch den sonnigen Morgen genießen wir die Schönheiten der Region.


Der Schaffner verkauft Wojciech Jaruzelski jr. eine Fahrkarte zum "Frisch-Fromm-Fröhlich-Foll"-Tarif, bei dem eine Bierflasche, eine Pirogge und eine Brühpolnische kostenlos mitgenommen werden dürfen. Er richtet sich vorrangig an deutsche und österreichische Besucher: Voraussetzung für den Erwerb dieses Tickets ist das Tragen eines T-Shirts, auf dessen Rücken-Aufdruck die Worte "Ziel" und "Ast" vorkommen.


Fotohaaaalt! Die zu frühe Ankunft im Grenzbahnhof Łupków wird in Abstimmung mit dem Schaffner (hier den Zug zu verpassen wäre ziemlich doof, denn der nächste Zug zum Slowaken fährt erst in sechs Tagen) sogleich in diesen Pixelfriedhof investiert. Wir sehen das hintere Ende von SA134-022. Viel Landschaft gibt es hier. Hinten eine ehemalige Grenzbeschaubrücke. Ganz in der Nähe fährt übrigens noch eine Art Touristik-Waldbahn: http://kolejka.bieszczady.pl/rozklad-jazdy/


Leider hat sich der Lokführer verfahren und statt der polnisch-slowakischen die polnisch-ukrainische Grenze überquert.


Internationaler Reisezugverkehr in Medzilaborce, kurz vor dem Ende der Welt gelegen. Einst endete hier der Nachtschnellzug "Laborec" mit Kurswagen aus Dresden!
Unser braver SA134-022 hat einen Schwung Fahrgäste an den pausbäckigen slowakischen Kollegen übergeben *würg* und darf mit seinem Personal nun rund 7 Stunden Pause am Rande der Zivilisation totschlagen.


Anschließend laufen wir durch ein schauriges Vorstadt-Gewerbe-Gebiet Richtung Stadtmitte. Wie passieren verfallene Lagerhallen, ungepflegte Vorgärten, und im Bushäuschen schreit eine Zigeunermutti so lautstark in ihr Telefon, dass sie eigentlich gar kein Telefon bräuchte.
Medzilaborce downtown. Freunde rechter Winkel kommen hier voll auf ihre Kosten. Einige Löcher im Fußweg sind so groß, dass ein Škoda Superb zur Hälfte darin verschwinden könnte.


Ah, deshalb also die unorthodoxe orthodoxe Bahnhofsbeschilderung! Vorne das Denkmal für den Staatsgründer Kai Slova.


Inmitten dieser Tristesse treffen wir auf Hochkultur: Der Künstler Andy Warhol hat seine Wurzeln in der Ostslowakei. Make War, not Hol! Mit einem Museum würdigt man den berühmten Sohn der Region, der sich Radieschen und Tesco-Märkte allerdings auch schon von unten anschaut. Da er aber in Medzilaborce, sozusagen im Jenseits jenseits der Karpaten, nicht tot über den Zaun hängen möchte, tut er das bei Onkel Donald im fernen Pittsburgh.


Leider erfahre ich erst beim Herausgehen, dass man Rucksäcke und Kameras nicht mit ins Museum nehmen darf. Bitte vergesst dieses Bild deshalb schnell wieder.


Ich bin der Kim Jong Un /
hab schrecklich viel zu tun /
bring allen das Erschießen bei /
und sonntags hab´ ich frei!
!
https://www.youtube.com/watch?v=zQd-Erz8BaQ
Das auf dem Bild ist aber irgendein anderer Kim Jong Bumm.


Andy W. war anti-Auto-ritär geprägt.


Julian überbrückt die Zeit mit der dezidierten Dokumentation des Schriftzuges "Andy Warhol". Was will man in Medzilaborce an einem Sonntag Mittag auch anderes machen?


Nicht einmal die rumreiche Sowjetarmee ist so richtig abgezogen, und das im Angesicht des prima Kapitalismus! Ein Hoch auf die Befreier!


Im Gegensatz zum gepflegten Russendenkmal sieht der Medzilaborzer Stadtbahnhof tatsächlich so aus, als wären die Russen gerade abgezogen.


Ich bin ein Fahrgast! Holt mich hier raus!


Dann fährt uns ein 861-Triebwagen (der mit den dicken Backen) über Medzilaborce/MEДIҖЛAБIPЦI (mit dem komischen "I" statt "И") nach Humenné. Die Fahrt kostet 2,04 Euro! Wer legt so bescheuerte Fahrpreise fest, bei dem der arme Schaffner mit 1- und 2-Cent-Stücken jonglieren muss?

Schon ziemlich böhmisch, diese Slowaken. Dreierlei in der Mitropa von Humenné. Lecker! Inklusive Vorsuppe zu je Dreifuffzich (wir sind ja wieder im Euroland). Kann man nicht meckern!


Zwei Wege führen von Humenné weiter in den Rest des Landes. Einmal der verkehrsübliche direkt nach Košice sowie jener nach Prešov. Auf letzterem fahren allerdings nur Brotbüxen - mit einer Ausnahme: einmal in der Woche, Freitagabend nordwärts, Sonntagnachmittag zurück, macht sich eine Taucherbrille mit einem ausgewaxenen 7-Wagen-Schnellzugpaar direkt von/nach Bratislava auf dem Weg durch das Gebirgsvorland.
Die örtliche Bevölkerung lässt sich auch von den wachsamen Blicken der Taucherbrille nicht von ihrem hier verkehrsüblichen Weg zwischen Supermarkt und heimischem Herd abbringen. Heute ist Sonntag, und bis zum Nachtzug nach Pilsen - Cheb am Abend sind es noch über 5 Stunden Zeit. Also...


...rein da in ein einzigen Schnellzug der Woche! Gediegener Bautzner Komfort empfängt den Fahrgast, wobei die Polster-Bauart irgendwie an den Bm 235 erinnert. Während Julian und Johannes via Bratislava und von dort des Nachts mit dem "Metropol" nach Berlin zurück fahren, bezieht Heiko erst einmal ein deklassiertes 1.-Klasse-Abteil im AR-Wagen - einem Halbspeisewagen mit 1.-Klasse-Bereich.


Schade, ich hab´ gerade gegessen!


Das müsste man sich noch mal in alle Ruhe anschauen, gerne auch vom gegenüber liegenden Berghang...


Hier kommt das Zigeunerschnitzel her. Die ordnungsliebenden Bewohner der Siedlung sind gerade am Aufräumen, wie man an den ganzen aus den Fenstern entsorgten Wert- und Baustoffen sieht. Einige Steine fliegen bei unserer Vorbeifahrt versehentlich bis an den Zug heran.


Antwort der slowakischen Eisenbahn auf "Schwerter zu Pflugscharen".


Zurück in Humenné, wo gerade Autoverladung light praktiziert wird. Ladestraße, Abfertigungscontainer, Gitter-Rampe, und fertig ist das Terminal! Der Autotransport-Wagen wird danach einfach an den Prager Nachtzug angehängt. Später gibt es noch eine Verladung für den "Zemplin" nach Presslava.
Der fette SUV (Super umweltschädliches Vehikel) hinten links bereitet danach noch etwas Verdruss. Kaum setzt sich der Hektor mit dem beladenen Autotransportwagen in Bewegung, beginnt bei ihm ein wildes Hupen und Blinken der Alarmanlage. Der denkt wohl, er wird entführt. Zumindest das Blinken lässt sich auch bis zur Abfahrt des Zuges nicht abstellen. In Prag musste sich der Wagen bestimmt mit leerer Batterie die Entladerampe hinunter rollen lassen.


Erst kurz hinter Praha hl.n. wache ich auf, nachdem ich wirklich satte 10 Stunden durchgeschlafen habe. Frühes Aufstehen wie am Vortag fordert mit zunehmender Vergreisung seinen Tribut. Gar nicht so einfach, auf der Prager Moldaubrücke genau nicht den Hradschin zu treffen. Auch hier ist es nicht gelungen.


In Pilsen verlasse ich gegen 9 Uhr entspannt den Kurs-Schlafwagen Humenné - Cheb. Eine Düne wandert dortselbst als Pausenfüller des Wegs. Um 10 Uhr besteige ich den EC/Alex nach München.


Statt Brühpolnischer: Wer kann diesem Aufkleber widerstehen?


Ich nicht! Die besten Knödel in Bayern gibt´s nun einmal beim Tschechen. Ab der Grenze kostet der Lendenbraten übrigens doppelt so viel wie vorher.


Meine temporäre Heimat zwischen Pilsner und Weißbier: dieser leckere Wagen im Wechsel mit einem Bm 235 des Alex.


Abschließend eine kleine Auswahl der Legitimationen zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in vier Ländern. Ganz ohne Vorbuchung und Online-Fahrkarten, sondern einfach losgefahren! Einzig die Nachtzüge haben wir vorreserviert. Ja, das geht!


Viele Grüße

J, J und H

www.desiro.net