DEUTSCHLANDREISE 2024
Willkommen bei der Eisenbahn! Manchmal klappt´s, manchmal nicht.

Prolog:
Nachdem der Deutschlandreise-Bericht für 2023 irgendwie irgendwas zum Opfer gefallen ist,
soll die Faulheit nicht zur Gewohnheit werden. Jedenfalls lockten im Frühsommer/Sommer 2024 wieder ein Haufen im Winter angesammelter
Überstunden zu Holiday on Gleis. Diese wurden auch in jenem Jahr nicht an einem Stück abgefahren.
Zwischendurch riefen Arbeit und Familie, sodass zwischen den nachstehend beschriebenen Ausfahrten auch Heimatbesuche stattfanden.
Der Bahncard 100 habe ich nach knapp 20 "Hunderten" am Stück inzwischen abgeschworen.
Erstens wurde man als 100er, angeblicher "Premium"-Kunde, von der DB zum Schluss nur noch verar***t.
Während einem für jedes Billigticket bei den (reichlichen) GDL-Streiks, bei Unwettern oder größeren
Streckensperrungen ein Höchstmaß an Kulanz entgegenschlug, blieb man auf den Kosten seiner Tausende Euro teuren Netzkarte sitzen,
auch wenn man sie gar nicht nutzen konnte. Im Nachgang habe ich dann zwar immerhin noch rund 270 Euro zurück "geklagt",
aber alleine dieses Theater... lassen wir das. Dann wurde die 100er trotz Deutschland-Ticket immer überproportional teurer,
was bedeutete: ich hätte für rund 3.600 Euro/Jahr Fernzug fahren müssen,
denn der komplette Nahverkehr war ja in den 600 Euro des D-Tickets abgedeckt.
Schließlich sah sich der weltweite Mobilitätsdienstleister außerstande,
der für viel Geld bezahlten BC-100-Karte für ein paar Cent das Deutschland-Ticket per Chip zu implantieren
(was in fast jedem kleinen Verkehrsverbund problemlos möglich ist)
und den Fahrgast zu einer separaten Online-Version auf dem Smartphone zu nötigen.
Das war schließlich der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Also: 2024 war ich nun erstmals mit der Kombination aus einer Bahncard 50 und eines Deutschland-Tickets unterwegs.
Die "Fuffziger" hielt auch spontane Intercity-Fahrten bezahlbar. Das D-Ticket habe ich - völlig ausfallsicher -
auf einer Chipkarte der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) dabei. Dank des bei den SSB auf der Karte gleich aufgebrachten Fotos
musste ich in all den Monaten auch erst ein einziges Mal den Ausweis vorzeigen. Hey, wieso bekommt die große DB das nicht hin?
Am Ende war ich nie günstiger unterwegs als jetzt. Zumal es bei Fernverkehrs-Fahrkarten am Ende oft
ohnehin 25 oder 50% des Fahrpreises aus Fahrgastrechten zurück gab,
denn die Performance auf der Langstrecke war 2024 leider genauso wie dessen leider (!) längst verdorbener Ruf.
Das "Einfach in den ICE einsteigen" wie zu 100er-Zeiten kann ich ja immer noch und notfalls im Zug auf bahn.de nachlösen.
Aber niemals für 3.600 Euro im Jahr und maximal 10 Euro Rückerstattung, auch bei mehrstündigen Verspätungen.
Genug geredet. Jetzt geht es los.
Quelle: ältere Streckenkarte der DB.
Bei 5:59-min-Pünktlichkeitsquoten des Fernverkehrs im Bereich von 65% gehört einiges an Mut dazu,
die erste Fahrt der Tour mit der letzten Verbindung des Tages anzutreten.
Nach einem etwas früheren Feierabend mache ich mich auf den Weg bzw.
in die Weißwurst und starte in Richtung Nahost. Ob ich wohl irgendwo unterwegs strande?
Der Anschluss in Leipzig auf den DB-Mireo klappt tatsächlich,
sodass ich am späten Abend im zweisprachigen Sorbenland einlaufe.
Bei der sorbischen Schreibweise von Cottbus streiten sich die Gelehrten: Manche schreiben ein "o", andere ein "ó".
Nachdem absehbar ist, dass ich an dem Abend wirklich noch ans Ziel gelange,
schieße ich mir von unterwegs ein übrig gebliebenes und daher nicht so teures Zimmer im Hotel direkt gegenüber des Bahnhofes.
Dazu schaut man bei booking.com & Co., wo sich überall Hotels befinden,
und bucht dann direkt auf der Hotel-Website oder ruft da an.
Das ist meistens günstiger als über die Portale mit ihren unverschämten Provisionen.
Stylish! Der Blick in den Flur verrät die Ursprünge des Bauwerkes aus den Jahren der Nachwendezeit.
Tag 1:
Am nächsten Morgen geht es noch weiter Richtung Osten, genauer: nach Südosten.
Entlang der alten Hauptbahn Berlin - Cottbus/Chośebuz - Görlitz findet man in den tiefen Kiefernwälder der Lausitz,
fernab der Straßen und umgeben von einem militärischen Sperrgebiet, die allerletzten Doppeltelegrafenmasten Deutschlands.
Diese Devotionalien klassischer Hauptbahnen möchte ich besuchen,
auch wenn der stündliche Desiro nicht ganz so standesgemäß daherkommt wie es ein richtiger Schnellzug an dieser Stelle täte.
Aber egal - das Umfeld stimmt, das Wetter spielt auch mit, und in der entschleunigten Einsamkeit ein paar Kilometer nördlich von Rietschen/Rĕčicy erwandere ich mir auch gleich so etwas wie Urlaubs-Entspannung!
Letzte Devotionalien klassischer Hauptbahnen ganz im Osten Deutschlands.
Am heutigen Tage fährt neben den ODEG-Desiros auch noch der Kulturzug/Pociąg do Kultury hier entlang.
Dieser verbindet an Wochenenden Berlin mit Wrocław (Breslau) und verkehrt seit einiger Zeit nicht mehr via
Forst/Baršč - Żagań (Sagan), sondern "untenrum" über Weißwasser/Beła Woda,
die Nordkurve Horka und als einziger Reisezug weiter via Węgliniec nach Polen.
Das GTW-2/6-Duo wird natürlich gerne noch mitgenommen. Leider ist es schwierig,
die Holz-Doppelmasten erkennbar kontrastreich von den ganzen Kiefern abzuheben.
Doch eine Art Fernzug: IRE 5837 als Kulturzug/Pociąg do Kultury Berlin - Breslau.
Gegen Mittag wandere ich nach Rietschen zurück und fahre eine Station nach Norden. In Weißwasser/Beła Woda beginnt die schmalspurige Muskauer Waldbahn, einem Zwitter aus Museumsbahn und vom regionalen Zweckverband ZVON finanziertem ÖV. An mehreren Tagen der Woche ist Fahrtag, so auch heute. Das möchte ich ausnutzen, wenn man schon einmal in dieser Gegend ist.
Zur Abfahrtsstelle der Waldbahn muss man vom DB-Bahnhof ein Stück durch die ehemalige Kreisstadt laufen, wobei einem der Weg zunächst durch kleine Dampfloks auf dem Fußweg gewiesen wird. Leider enden diese Symbole nach einigen Hundert Metern unmotiviert an einer Straßenkreuzung...
Der selbst gebackene Kuchen und eine kalte Brause bei rund 30°C im Stations-Café der Waldbahn entschädigen
für das ins-Leere-laufen-lassen der örtlichen Tourismusförderung.
Dann nehme ich in einem der offenen Wagen Platz und gegen Entrichtung des tariflichen Entgeltes -
das D-Ticket gilt hier nicht - geht es auf auf robuste Weise auf 750 mm Spurweite hinunter nach Bad Muskau ins Neißetal.
In der Muskauer Waldbahn.
Nach der Ankunft im Waldbahnhof Bad Muskau/Mužakow, leider auch ein wenig am Stadtrand gelegen,
erlege ich den zurück fahrenden Zug noch einmal mit dem Fotoapparat und begebe mich dann nach Muskau downtown.
An der Muskauer Waldbahn.
Sorbisch, was von Schriftbild und Vokabular her ans Polnische erinnert,
ist hier neben Hochdeutsch offiziell Amstssprache. Das Straßenschild erinnert bilingual daran,
dass Bad Muskau einst auch einen "richtigen" Bahnhof hatte.
Die nicht nur leicht braun angehauchte politische Gesinnung von immerhin 1/3 der volljährigen Bad Muskauer
(die AfD wurde bei der Kommunalwahl 2024 stärkste politische Kraft) hindert diese aber nicht daran...
...zum Einkaufen über die Neiße ins polnische Łęknica zu fahren.
Man muss es mit der Heimattümelei ja schließlich nicht übertreiben, wenn man aufrechtes deutsches Geld sparen kann!
Bei soviel Verlogenheit würde sich der weltgewandte Fürst Pückler-Branitz (der mit dem Eis) sicher im Grabe umdrehen,
in welches er anno 1871 steigen musste.
Immerhin verdanken ihm die Muskauer ein grenzüberschreitendes UNESCO-Weltkulturerbe in Form dieses Schlosses und des wunderschönen Landschaftsparks Muskauer Park/Park Mużakowski.
Sogar das sowjetische Ehrenmal hat in Bad Muskau alle Stürme der Geschichte überdauert.
Dass die Stadt auch einmal an das große Netz der Eisenbahn angeschlossen war,
wissen wir ja schon seit dem Straßenschild fümpf Bilder weiter oben. Sie wurde übrigens in jenem Jahr eröffnet,
in dem Fürst Pückler starb. Der Verkehr nach Polen endete 1945, doch blieb die Brücke für das Militär befahrbar.
Der Planverkehr zwischen Weißwasser und Bad Muskau wurde zwischen 1977 und der Nachwendezeit eingestellt.
Die ehemalige Eisenbahnbrücke über die Neiße ist heute ein Rad- und Wanderweg.
"Schienen" in den Bohlen des Weges erinnern an die einstige Funktion des Bauwerkes.
Mit dem auch am Wochenende regelmäßig verkehrenden Linienbus fahre ich nach Weißwasser zurück.
Weiter nach Süden geht es noch einmal es entlang der Doppeltelegrafen in die Perle ganz im Osten, Görlitz.
Görlitz! Den Reisenden empfängt ein stolzer Bahnhof,
viel zu groß für die hier heute ausschließlich verkehrenden Nahverkehrstriebwagen (immerhin fast alles Desiros).
Wenigstens die Stationsgebühren sind der Anlage angemessen: sie gehören zu den höchsten in ganz Deutschland.
Nach Görlitz bin ich nicht wegen der Eisenbahn gekommen, sondern der Stadt wegen.
Viele Worte muss man über diesen Traum von einer komplett erhaltenen Stadt aus der Gründerzeit nicht verlieren.
Görlitz überstand den Krieg unbeschadet. In der DDR verfielen die Bauwerke zwar,
blieben jedoch erhalten und wurden in den vergangenen Jahrzehnten prächtig saniert.
Gerade bei Einbruch der Dunkelheit wandelt man wie in einem Geschichtsbuch durch eine quicklebendige Stadt,
die den Besucher mit ihrem Fluidum sofort verzaubert. Das haben "leider" zunehmend auch andere Touristen entdeckt,
die "Görliwood" an manchen Tagen regelrecht fluten.
Görlitz - ein Traum von Stadt! Aufnahmen vom polnischen Neißeufer Zgorzelec auf Görlitz mit der mächtigen Peterskirche...
...und am Untermarkt mit Weitwinkel. In Wirklichkeit steht der Turm des Alten Rathauses gerade.
Im ständigen Kampf gegen die Einstellung: Die Görlitzer Straßenbahn mit ihren zwei Linien.
Etwa 8 Fußminuten vom Bahnhof entfernt: Wo übernachtet man in Görlitz standesgemäß?
Tag 2:
Die Trilex-Webeleute (die wahrscheinlich irgendwo in Westdeutschland sitzen?)
müssten gelegentlich einmal einen Grundkurs Landeskunde besuchen. Oder besser noch:
die Region persönlich besuchen. Dann würden sie ihre Dresden-Werbung nicht mit Breslau-Bildern illustrieren.
Von Görlitz aus verläuft eine Bahnstrecke (fast) ganz hinunter ins tschechisch-polnisch-deutsche Dreiländereck.
Diese nach Zittau führende Linie liegt auf dem mittleren Abschnitt östlich der Neiße.
Im "privilegierten Eisenbahn-Durchgangsverkehr" fährt man also als innerdeutscher Fahrgast im Transit durch Polen.
Unterwegs wird im polnischen Bahnhof Krzewina Zgorzelecka (sprich; ßgorscheletzka) gehalten,
von wo aus das deutsche Städtchen Ostritz über einen Neißesteg erreicht werden kann.
Hier ein Bild eines deutschen Interregio-Zuges Berlin - Zittau bei der Ausfahrt aus
Krzewina b. Görlitz aus den 1990er Jahren. Hinten überwacht die polnische Uffsicht den Prozess.
Wie es zu Grenz-Zeiten bei diesen Transitzügen war, hier nach Polen einreisen zu wollen,
ohne zuvor aus Deutschland ausgereist zu sein, könnt ihr
hier nachlesen. Eine hochinteressante Gegend also!
In Zittau steige ich heute nur um. Auch die Fahrt mit der Schmalspurbahn ins Zittauer Gebirge schenke ich mir,
da statt der Dampflok bloß eine Diesellok mit offenem dritten Spitzenlicht vor dem Zug hängt.
Und dafür wird dann auch noch ein Zuschlag fürs D-Ticket fällig.... Nee!
Zittau, Kleinbahnhof mit kritisch beäugten Rumänendiesel. Heute ohne Dampf und deshalb auch ohne mich.
Mein heutiges Ziel ist Dresden. Dorthin könnte ich von Zittau direkt über Wilthen - Schiebock - Radeberg fahren.
Will ich aber nicht. Ich nehme den Weg durch den "Schluckenauer Zipfel",
ein weit nach Deutschland hineinragendes Stück Tschechien.
Vor einigen Jahren wurde hier auch (endlich) der Schienen-Lückenschluss zwischen dem böhmischen Dolní Poustevna
und dem sächsischen Sebnitz vollzogen. Dieses kurze Stück fehlt mir noch auf meiner da-bin-ich-gefahren-Streckenkarte.
Zunächst geht es daher mit dem Zug von Zittau nach Varnsdorf (wo es einst auch Transitverkehre deutscher Züge gab,
während der Tscheche umgekehrt im Transit durch Deutschland fuhr und exterritorial in Zittau hielt) und dann mit dem
Linienbus weiter nach Rumburk.
In Rumburk empfängt mich ein DB-Desiro zur Weiterfahrt. Als Linie "U28" fährt der wiederum in einer Art unechtem
Transitverkehr von Tschechien durch Deutschland zurück nach Tschechien, bedient dabei aber die deutschen Zwischenhalte
in der Sächsischen Schweiz.
Grenzen sind hier auch nicht mehr das, was sie einmal waren. DB-Desiro in Rumburk (CZ) vor der Fahrt nach Děčin (auch CZ) via Seblitz und Bad Schandau (beide D).
In Sebnitz kündigt sich zunächst Pech an: wegen Personalmangel fahren heute keine Züge via Neustadt (Sachsen) nach Pirna.
Doch dann kommt das Glück auf Gummi um die Ecke: als mein - etwas zu früher - Zug an den Bahnsteig fährt,
sehe ich gerade den - etwas zu späten - direkten Überlandbus aus Hinterhermsdorf (oder so)
nach Dresden auf den Bahnhofsvorplatz einbiegen. Also in Rekordzeit aus- und umgestiegen!
Unsere Verspätung - Ihr Vorteil! Dank eines Negativ-Anschlusses erreiche ich Dresden, wenngleich mit dem Bus,
rund eine Stunde eher als geplant.
Die Nacht von Sonntag auf Montag ist in Städten meist die günstigste: Die Wochenend-Touris sind schon weg,
die Geschäftsreisenden noch nicht da. So ist auch das "Leonardo" am Bahnhof Mitte erfreulich bezahlbar,
sodass ich mir einfach mal etwas besseres gönne. Habe ja schließlich Urlaub! Auch mein Wunschzimmer ist noch frei.
Bitte das Zimmer 626 ganz oben rechts! Blick aus dem Bett auf die Modelleisenbahn im Maßstab 1:1.
Da ich nun doch deutlich eher als geplant in Dresden angekommen bin,
wandele ich noch einmal durch meine langjährige Heimat der 1990er/Nuller-Jahre
(damals habe ich 12 Jahre im Bahnhof Radebeul Ost gewohnt).
Den Spätnachmittag lasse ich auf der Dachterrasse der Tabakmoschee "Yenidze" ausklingen,
bis dann ein Sommergewitter über die Stadt zieht und mich ins Hotel zurück treibt.
Auf der Dachterrasse der Yenidze.
Tag 3:
Am folgenden Tag wird der Begriff der "Deutschlandreise" einmal etwas großzügiger ausgelegt.
Mit einer alten Freundin aus meinen sächsischen Jahren geht es für einen Tag nach Prag *reim*.
Wir trafen uns erstmals vor 25 Jahren, als wir uns in einem tschechischen Nachtzug auf der Fahrt zur
Sonnenfinsternis nach Saarbrücken kennenlernten. Nach meinem Umzug nach Baden-Württemberg ist der
Kontakt zwar weniger geworden, aber nie ganz abgerissen. Sollen solche Freundschaften,
die über viele Jahre auch ohne tägliche Pflege halten, nicht die ehrlichsten sein?
So finden wir uns am Morgen am Dresdner Hauptbahnhof ein und beziehen in einem Abteil des Eurocitys nach Prag Quartier.
Das geplante Frühstück im tschechischen Speisewagen fällt leider aus: Der Speisewagen ist ausgefallen! Grrr!
Man kommt sich ja fast vor wie bei der eigenen Staatsbahn...
Faire Preise: zu zweit, davon einmal ohne jegliche Bahncard, für 36 Euro von Dresden nach Prag.
Prag bei Traumwetter! Nicht zu heiß, nicht zu kalt! Zur Fortbewegung kann man da auch einmal auf den nächsten Tatra-Wagen
warten (am liebsten mit der Linie 23, auf der nur original Tatras laufen)!
Straßenbahnfahren macht am offenen Fenster auch mehr Spaß als in den vollklimatisierten Niederflurwagen.
Muss auch sein: Wandeln auf ausgetretenen Touri-Pfaden. Das findet auch Johannes der Säufer, äh, Täufer.
Wir besuchen das Palais Lobkowitz. Hier residierte auch die (1989 west-)deutsche Botschaft in Prag, um Ihnen mitzuteilen, dass... Aber noch wollen wir nicht ausreisen.
Der berühmteste Balkon Deutschlands befindet sich in Prag.
Zum Essen fahren wir mit der Straßenbahn in den Vorort Smíchov hinaus.
In einer Gaststätte in einem Wohngebiet sind wir hier die einzigen Touristen.
Immerhin reicht mein VHS-Tschechisch noch für eine korrekte Bestellung von Svíčková na smetaně,
böhmischer Lendenbraten mit Knödeln und viel Sahnesoße, denn mit englisch oder deutsch käme man hier nicht wirklich weiter.
Dafür kostet es nur etwa die Hälfte von dem, was wir in der Altstadt gezahlt hätten. Und es schmeckt wunderbar!
Alleine schon diese einfache, aber sooo leckere böhmische Küche ist ein Grund genug, ins Nachbarland zu reisen.
Jedes Mal, wenn ich das Bild anschaue, bekomme ich Hunger!
Na shledanou, Praha! Schön war´s!
Die Heimfahrt nach Deutschland steht an. Aus irgendwelchen Gründen (Fußball-WM?) fährt heute - wie für uns gemacht! -
noch ein später EC von Prag nach Dresden und weiter nach Berlin. Der ist erfreulich leer, freie Abteile reichlich verfügbar.
Im gemütliche Abteilwagen werden wir in den nächsten zweieinhalb Stunden in den Abend fahren.
Tag 4:
Den nächsten Tag beginne ich einmal völlig ohne Fahrplan.
So fahre ich zum Hauptbahnhof und schaue, was die Bahnen für meine heutige Ortsveränderung so alles im Angebot haben.
Mein einziges Ziel ist es, am Abend in Böblingen zu sein.
Dieses Bild aus dem Dresdner Hauptbahnhof kennt ihr vielleicht schon aus
DREHSCHEIBE 338. Hier hat die DB in Zusammenarbeit mit den städtischen Wasserwerken die gute Tradition wiederbelebt,
einen Wasserspender aufzustellen. Dank an den unbekannten Fahrgast, der für dieses Bild den Wasserspender drückt.
Mit diesem zur Nachahmung empfohlenen Bild verlassen wir Sachsen.
In einigen Minuten, so verkündet es der Abfahrtsplan, soll eine hässliche Grinsekatze der Mitteldeutschen Regiobahn nach Hof
fahren. Die wird meine werden, denn sie hat zwei Vorteile: vom nahen Marktredwitz kann ich einmal kurz ins böhmische Cheb
rüberfahren, um meine dort hinterlegte neue In-Karta (eine Art Bahncard der tschechischen Eisenbahnen,
die aber 10 Jahre lang gilt - hallo DB, wie war das doch mit Nachhaltigkeit?) abzuholen.
Außerdem fahre ich zumindest bis Nürnberg nur mit Regionalzügen,
die mich mit dem D-Ticket nichts extra kosten und potenziell auch pünktlicher sind als die ICEs via Leipzig.
Empfang in Marktredwitz.
Hiervon darf man sich auf dem Weg nach Marktredwitz downtown nicht abschrecken lassen...
...dann erreicht man auch die Altstadt. Leider nur bei mittelprächtigem Wetter,
aber dafür kann Marktredwitz ja nichts.
Für das Stück Nürnberg - Stuttgart gönne ich mir mir am Nachmittag doch noch für paar-n-zwanzig Euro
den nächsten (Doppelstock-)Intercity und komme um 18:38 Uhr pünktlich zu Hause an.
Übrigens habe ich in all den vergangenen Tagen keine einzige Verspätung gehabt... oder?
Doch: die des Busses in Sebnitz, die mir eine Stunde gespart hat!
Tag 5:
Die nächste Ausfahrt führt mich ganz in den Süden. Nachdem der nächste Tag ein wunderbar warmer zu werden scheint,
verabreden Leander und ich uns spontan für den nächsten Vormittag am Bodensee.
Das Treffen keine 200 km von zu Hause entfernt ist mit Leander eher ungewöhnlich -
das vorherige Mal waren wir im Frühjahr 2024 hobbymäßig zusammen in Riga unterwegs...
Also Rucksack geschnappt, Badehose & Co. reingeworfen, und ab in den Süden!
Macht Lust auf das, was man vor dem Fenster sieht. Auf der Bodensee-Gürtelbahn bei Überlingen.
Leander holt mich mit einem Kraftwagen älterer Bauart am Bahnhof Uhldingen-Mühlhofen ab.
Dann werden wir zum Schienenersatzverkehr, denn die kurze Stichstrecke an den See nach Unteruhldingen ist seit über
70 Jahren Geschichte. Das Empfangsgebäude aus der Zeit der Großherzoglich Badischen Staats-Eisenbahn hat, prächtig saniert,
aber bis heute überlebt und beherbergt ein Restaurant. Das müssen wir gleich einmal ausprobieren.
Auch ohne Zug schmackhaft: ehemaliger Bahnhof Unteruhldingen mit Mitropa, direkt am Seeufer gelegen.
Einige Zeit später kündigt sich Stefan aus Kempten an. Er hat sich mit mehreren Zügen und Bussen nach Unteruhldingen
durchgeschlagen, aber auch pünktlich. Nachdem die Temperaturen gefühlt auf die 47-Grad-Marke zugehen, beschließen wir,
an den Gestaden des Sees mal nach einer Badestelle Ausschau zu halten. Leander ist ortskundig, und schon bald...
...aaaah! Schön! Das frühe Aufstehen heute Morgen hat sich gelohnt!
(Foto: Leander.)
Oben auf der Gürtelbahn ist heute wieder eine 218 vor einigen IRE-Zügen Friedrichshafen - Singen - Waldshut - Basel eingeteilt. Grund genug, das Geplantsche zwischendurch einmal kurz zu unterbrechen und für ein Lichtbilderzeugnis an die Bahnstrecke hochzufahren.
Die Deutsche Bundesbahn lebt! IRE bei Birnau am Bodensee.
Am späten Nachmittag und ein Eis später trennen sich unsere (Verkehrs-)Wege wieder.
Stefan und Leander fahren Richtung Osten, ich zunächst nach Radolfzell.
Dort stoße ich auf den "Freizeitexpress Bodensee II", der an Sommersonntagen mit modernisierten
Silberlingen und einem großen Fahrradwagen Touristen vom Bodensee nach Stuttgart bringt. Bekannte Gesichter begrüßen mich -
man kennt sich von vielen Fahrten mit diesem schönen Zug!
Wunderbarer Ausklang eines Sommertages: am offenen Fenster die Gäubahn hinauf (Aufnahme oberhalb von Engen).
Wie man sieht, bin ich nicht der einzige, der das genießt. Eisenbahn kann so schön sein! (Handy-Foto)
Tag 6:
Eine zweitägige Dienstreise führt mich ins nordbayrische Karlstadt am Main.
Aus Stuttgarter Perspektive liegt das schon fast an der Nordsee. Was also liegt näher, die Folgetage Urlaub zu nehmen und von
Karlstadt aus die paar Kilometer nach Norden weiterzufahren? Bis Hannover komme ich an jenem Abend noch,
wo ich im *hüstel* Vorzeige-Viertel hinter dem Hauptbahnhof in einem überraschend sauberen und ebenso
überraschend günstigen Hotel den Tag beschließe. Am Folgetag möchte ich am Abend in Buxtehude bei meinen Eltern ankommen.
Von Hannover aus sollte das ein machbares Unterfangen sein: einen ganzen Tag habe ich Zeit für die rund 180 Kilometer.
Zunächst fahre ich von Hannover mit der Straßenbahn nach Langenhagen. Die hält da aber nicht am Bahnhof,
also das Stück zum Bahnhof gelaufen und mit dem nächsten Metronom nach Celle gefahren.
In Celle begrüßt mich dieses S-Bahn-Substitut aus einer Güterzuglok der Baureihe
145 mit ein paar Doppelstockwagen der unbequemsten Bauart.
Celle mit halb eingepacktem Schloss und Niedersachsen(?)-Ross.
Anschließend wackele ich nach Celle downtown. Schnuckelig ist es dort,
mit den ganzen kleinen Geschäften in all den Fachwerkhäusern! Allerdings,
so habe ich den Eindruck, stehen etliche dieser alten Häuser in den oberen Etagen leer?!
Hoffentlich nicht wieder so ein Fall, bei dem der Denkmalschutz die Gebäude bis zur Unbewohnbarkeit konserviert.
Celle! Nett (zumindest unten).
Kunst am Bau bzw. Kunst im Bahnhof.
Der nächste Zug weiter nach Norden ist wieder ein Metronom, der mit seinen 2003er-Dostos zwar bequem,
aber außen wie immer unglaublich siffig daherkommt. Hey, werden die denn nie gereinigt?
Ich steige trotzdem einmal ein. Normalerweise befahre ich diese Strecke nur mit Schnellzügen auf dem Weg von Nord nach Süd
oder umgekehrt. Die Fahrt in dem "Bummelzug" ermöglicht mir nun aber einen Besuch an einem jener Orte,
die im kollektiven Gedächtnis der deutschen Eisenbahngeschichte einen - leider unrühmlichen - Platz gefunden haben.
Zwischenstopp in Eschede und Wanderung zu der Gedenkstätte des ICE-Unglücks von 1998.
Für jeden der Toten, deren Namen auf der großen Gedenktafel eingraviert sind, wurde hier ein Baum gepflanzt.
101 Menschen kamen damals zu Tode. Doch so schlimm dieses Unglück gewesen ist:
wo stehen die Gedenkstätten für die etwa 3.000 Menschen, die - wenngleich nicht so spektakulär -
Jahr für Jahr im Straßenverkehr zu Tode kommen?
Die Eisenbahn bringt mich - sicher! - nach Buxtehude.
Kulinarischer Abschluss eines kilometermäßig ungewöhnlich kurzen Reisetages.
Tag 7:
Eisenbahnfahrzeuge müssen gepflegt und unterhalten werden. Dies ist eine Binsenweisheit,
die aber offenbar ab und zu einmal vergessen wird - auch von Eisenbahnfreunden.
Die Weisheit gilt für Hunderte Meter lange ICEs genauso wie für... kleine Draisinen!
Warum ich euch das erzähle, während ich mich mit einem Lint der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (EVB) -
leider kein Wasserstoffzug - nach Harsefeld bewege, erfahrt ihr gleich.
Harsefeld, Zugkreuzung zur Symmetrieminute Null.
Seit ich Teenie bin, bin ich Mitglied bei den Buxtehude-Harsefelder Eisenbahnfreunden e.V..
Die meisten kennen den Verein durch die Pflege des
WUMAG-Triebwagens von 1926, der immer wieder in ganz Deutschland und sogar bis Russland unterwegs gewesen ist.
der immer wieder in ganz Deutschland und sogar bis Russland unterwegs gewesen ist.
Doch betreut der Verein auch einige Kleinfahrzeuge, so auch eine klassische Handhebeldraisine.
Wenngleich die aktive Mitgliedschaft durch die räumliche Entfernung zu meiner südwestdeutschen Wahlheimat ein wenig
gelitten hat, habe ich mir die Aufarbeitung des Gefährtes auf die Fahne geschrieben. Wenn ich also im Norden weilte,
wurde immer mal wieder ein Tag für die Draisine abgezweigt. So auch heute. Ich treffe mich mit Jan,
der mir den Lokschuppen aufschließt, sodass ich mir die Draisine ins Freie fahren kann.
Das Hobby Eisenbahn kann man nicht nur mit einer Kamera ausüben, sondern auch aktiv.
Heute erfolgt an der Handhebeldraisine das Richten des nach einem Aufstoß verzogenen Sitzgestänges,
dessen Neubeplankung mit Sitzbänken und Rückenlehnen, die Sanierung von
Holzausbrüchen sowie die Grundierung des Holzbohlen-Bodens.
An diesem Abend übernachte ich bei meiner Schwester in Neu Wulmstorf. Lange sitzen wir noch auf ihrem Balkon und
freuen uns über den lauen Sommerabend. Einzuschlafen fällt mir anschließend nach jenem Tage nicht schwer.
Tag 8:
Der nächste Tag ist wettermäßig nicht ganz so schön wie jener gestern in Harsefeld. Aber egal,
schließlich kann man sich Tage ja auch schön machen. Wie, das müssen sich Dani und ich uns noch überlegen,
als wir uns ohne einen Plan um 08:30 Uhr in Hamburg-Altona treffen. Sie hat einst einige Zeit in "meiner"
Stuttgarter Firma gearbeitet und entschwand dann nach Hamburg. Kann ich verstehen... Wo wir an diesem Tage hinfahren,
wissen wir noch nicht so genau. So besteigen wir einfach einmal den bereitstehenden RE nach Westerland.
Kurz nach dem Einsteigen spricht mich ein Fahrgast an: es ist Rupert, ein Kollege von der
Hohenzollerischen Landesbahn aus Ba-Wü... klein ist die Welt! Schnell vergeht die Zeit auf der Fahrt in den echten Norden.
Zwischenstopp in Niebüll/Naibel. Der Flachland-Tiroler, hier als Luftkissenfahrzeug aufgenommen, hat Dänemark-Dienst.
Für den Sprung auf die Insel der Reichen und Schönen (wir sind leider nur "und")
gönnen wir uns für je drei Euro den D-Zug. Unsere Wanderdüne schiebt dabei einen Autozug vor sich her. Noch wissen wir nicht,
dass diese skurrilen Züge ab Dezember 2024 der Vergangenheit angehören.
In Westerland/Weesterlön zeigt sich dann plötzlich sogar die Sonne! Westküste halt, is nu ma so...
Unser Beförderungsmittel auf die Insel (rechts).
(Foto: Dani.)
Wenn Norden, dann richtig! Wir beschließen, mit dem Bus ganz hoch nach List zu fahren.
Dort steigen wir in die Ringlinie 5 zum Weststrand um, die durch die Dünen bis an den Ansatz des Ellenbogens fährt.
Doch auch von dort aus sind es noch einige Kilometer zu laufen, bis man wirklich ganz oben ist,
an Deutschlands nördlichstem Punkt. Leider hat sich die Sonne schon wieder verabschiedet. Westküste halt,
is nu ma so... Aber zum Barfuß-Laufen über den Strand und sich die auflaufenden Wellen um die Füße spülen zu lassen,
ist es noch warm genug.
List, Ellenbogen. Irgendwo hier, in dieser grandiosen Weite zwischen Himmel und Meer,
verliert sich Deutschland in der Nordsee.
Eine Tafel am Ufer zeigt, wo genau sich der wirklich nördlichste Punkt Deutschlands befindet.
Halbfertig frisch gestrichener Leuchtturm List West.
Der nächste 628 bzw. 629: Auf dem Rückweg machen wir noch einmal in Niebüll einen Stopp.
Schließlich gehört eine Fahrt mit der NEG nach Dagebüll außerdeichs auf die Mole einfach dazu,
wenn man schon einmal hier oben ist!
Leider kackt das Wetter nun völlig ab. Westküste halt, is nu ma so...
wir machen das beste draus und testen in der NEG-Wanderdüne die Tiefenschärfe der Handy-Kamera anhand von Regentropfen auf dem Zugfenster.
Am Ende wird es dann doch später als gedacht, als wir wieder nach Süden zurück fahren
und uns kurz vor 23 Uhr in Hamburg trennen. Ein gutes Zeichen, dass der Tag auch
ohne Planung ein wenig Spaß gemacht hat.
Tag 9:
Dieses quaderförmige Schiff hat mit der Eisenbahn nun eigentlich gar nichts zu tun.
Doch der schönste Weg von Buxtehude in den Rest der Welt ist jener mit dem Schiff von Finkenwerder oder dem Rüschpark rüber
"nach Hamburg". Und noch schöner ist es, am einsamen Anleger Bubendey-Ufer mal ein,
zwei Fähren auszusetzen und ´n büschn Schiffe zu kuckn.
Urlaub im schwimmenden Plattenbau! Innen hoffentlich schöner als von außen.
Mit dem über-übernächsten Bügeleisen der Linie 62 geht es weiter zu den Landungsbrücken.
Auf Höhe Fischmarkt kommt uns die "Harburg" entgegen
Zunächst stromere ich noch ein wenig durch Hamburg und komme auf dem Weg von der Hafencity Richtung
Innenstadt an diesem Motiv vorbei, das nicht unfotografiert bleiben wollte...
...dann lacht mich im Hauptbahnhof ein Metronom-Eilzug nach Bremen an. Hm, warum eigentlich nicht mal Bremen?
Da war ich auch schon ein paar Jahre nicht mehr. Dank D-Ticket kostet das nicht einmal etwas extra. Wer fährt da noch Auto?
Im Gegensatz zu den Stadtmusikanten in ihrem Märchen bin ich aber - kein Märchen -
wenigstens in Bremen angekommen.
Nach Roland, Stadtmusikanten und einem Bummel durch die gute Stube meiner Geburtsstadt
schaue ich abends noch einmal am Bahnhof vorbei, bevor ich mich nach diesem recht entspannten Tag zur Ruhe begebe.
Tag 10:
Der nächste Morgen weckt mich mit Sonne! Viel zu schön, um die Gegend schon zu verlassen!
Statt den Weg nach Süden einzuschlagen, steuere ich erst einmal die Küste an, dieses Mal die niedersächsische der Nordsee.
Die erste Etappe führt mich dabei nach Oldenburg im Oldenburgischen, wo ich einmal ein, zwei Takte aussetze.
Eine Klappbrücke, die auch gerne mal kaputt geht,
führt die Seeschifffahrt auf der Hunte unter den Gleisen der Strecken Oldenburg - Bremen und Oldenburg - Osnabrück hindurch.
Gerade kesselt ein Einbaum über das Bauwerk.
Heute ist die Brücke nicht kaputt! Ich bekomme von DB, Wasser- und Schifffahrtsamt und Sophie sogar eine kleine
Leistungsschau geboten, leider auf einmal bei nicht-Sonne.
Weiter geht es nach Wilhelmshaven. Unter der frisch gespannten Oberleitung verkehren im Personenverkehr nur Dieseltriebwagen,
und Güterzüge sehe ich auch nicht...
Den Bahnhof von Wilhelmshaven hat man vor einigen Jahren in ein Einkaufszentrum mit Parkhaus-Flügelbauten integriert.
"Schön" ist etwas anders, aber die Aufenthaltsqualität vor der Zugreise ist enorm (zumindest, wenn das EKZ geöffnet hat).
Und anders herum ist wohl kaum ein anderes EKZ so wunderbar mit Zügen und Bussen erreichbar,
die gleich auf der anderen Seite des Gebäudes halten.
Im Wilhelmshavener Einkaufszentrum gibt es sogar Züge!
Und eine Art Blumenladen gibt es ebenfalls. Auch Wilhelmshaven Hauptbahnhof.
Für das weltgrößte Labskaus-Essen bin ich leider ein paar Tage zu früh!
Die Sonne hat es sich nach ihren Schmoll-Minuten in Oldenburg doch anders überlegt und brutzelt von einem makellos
blauen Himmel!
So fahre ich mit dem Stadtbus Richtung Südstrand am Jadebusen.
Die letzten Meter Fußweg führen mich über die bekannte Kaiser-Wilhelm-Drehbrücke.
Aaaah!
Schön! Auf dem Rückweg nach Wilhelmshaven downtown (das ist jetzt die vierte downtown in diesem Bericht).
So langsam denke ich darüber nach, mich mal in Richtung Süden vorzuarbeiten.
Der im Einkaufszentrum stehende Lint-Triebzug könnte mir bei der Umsetzung dieses Gedankens helfen,
denn er kündigt "Osnabrück" als sein Fahrziel an. Ich suche mir einen schönen Platz -
Panoramafenster im mittleren Hochflurbereich, Sitz in Fahrtrichtung, linke Seite -
denn in diesem Fahrzeug muss ich es nun die nächsten 2:15 Stunden aushalten.
Bei der Fahrt quer durch das nordwestliche Niedersachsen zeigen sich gerade südlich von Oldenburg die bekannten
Defizite an der deutschen Schieneninfrastruktur. Dass die Strecke nicht elektrifiziert ist,
muss ja nicht automatisch leistungshemmend sein. Aber über lange eingleisige Abschnitte,
zeitintensive Kreuzungen in einsamen Betriebsbahnhöfen und seltsame Bahnsteig-Sparausbauten kann man sich doch nur wundern.
Und ob Linte in Dreifachtraktion wirklich der Weisheit letzter Schluss für eine solche Strecke sind?
Zumal hier doch auch der Wilhelmshavener Seehafen-Hinterlandverkehr entlanglangrollen soll?
In Osnabrück ist der nächste ICE Richtung Köln mit mächtiger Verspätung angekündigt.
So fahre ich erst einmal mit einem RE in Richtung Süden weiter.
Beim Umstieg in... (siehe Aufschrift auf dem Bahnhof) kommt mir dieses holländisch-deutsche
Gemeinschaftsprodukt entgegen.
Ab Bielefeld ist dann nach vier Tagen Nahverkehr wieder große schnelle Eisenbahn angesagt.
Mit dem ICE durchmesse ich in rascher Fahrt Ostwestfalen und das Ruhrgebiet.
Meine heutige Endstation.
Tag 11:
Köln geht eigentlich immer! Entweder als Ziel oder als Basis für Fahrten nach irgendwo hin. Der Tagesauftakt,
so meine Planung, soll ein Bild eines 420 vor dem örtlichen Dom sein. Das geht nur morgens bis etwa 07:30 Uhr,
weil sonst die Sonne "rum ist" - so sie denn scheint.
So schäle ich mich zu früher Stunde aus meinem B&B-Hotel und bin gegen 06:30 Uhr vor Ort.
Guten Morgen Köln!
Tatsächlich scheint heute alles zu stimmen: Die Sonne lacht von einem blauen Himmel,
in dichter Folge poltern die S-Bahnen aus dem Hauptbahnhof Richtung Hohenzollernbrücke, und ich bin vor Ort.
Einzig der Umstand, dass ich den ganzen Morgen keinen einzigen 420 vor die Linse bekomme, trübt die Freude ein wenig.
Aber auch nur ein wenig. Denn das Programm vom ICE bis zu verspäteten Nachtzügen sorgt für Kurzweil, zumal vor dieser Kulisse!
Wir lassen dem Dom in Kölle, denn da gehört er hin. Nur mit den 420 mag es nicht so recht klappen,
denn die gehören hier nun nicht mehr hin.
Was nun? Würde ich in die nächste Weißwurst nach Süden steigen, wäre ich zum Mittagessen zu Hause.
Schade um den angebrochenen freien Tag. Ein Doppelstockzug des "Rhein-Sieg-Express", der sich kurze Zeit später ankündigt,
bringen mich auf den Gedanken, abseits der großen Strecken einmal via Siegen nach Süden loszufahren.
Die Strecke ist auch mindestens so nett wie das Wetter da draußen.
In Au (Sieg) unterbreche ich meine Dosto-Fahrt kurz.
Dabei springt dieses Bild einer mobilen Behindertentoilette auf dem Sieg-Viadukt der Nebenbahn nach Limburg heraus.
Die Weiterfahrt nach Siegen erfolgt später mit einem anderen Dieseltriebzug.
Der fährt als RB, die mehr steht als fährt. Gefühlt alle 300 Meter kommt eine Station. Viel los ist trotzdem nicht.
Wer von euch war schon einmal in Siegen? Also, ich bis dato noch nicht.
In der Ruhmeshalle deutscher Sehenswürdigkeiten taucht die Stadt auch nicht auf. Warum das so ist,
davon möchte ich mir gerne selbst ein Bild machen.
Zunächst empfängt mich diese Diesel-elektrische Lokomotive.
Ein Bild ohne jedes Grün: Diese Trutzburg ist ein Einkaufszentrum.
Aber nicht irgendeines, neinnein! Es ist die Siegener "City-Galerie".
Die Webseite "Tripadvisor" führt diese "400 m überdachte Ladenstraße auf drei Ebenen" - Stand Sommer 2024 -
auf Platz 2 der Sehenswürdigkeiten Siegens! Hm! Wenn für eine Stadt ein banales Einkaufszentrum als Sehenswürdigkeit gelistet ist,
dann kann es mit den anderen Highlights wohl auch nicht so weit her sein?
Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Siegens gehört dieses 400 Meter lange Einkaufszentrum.
Mit der Unterstadt werde ich tatsächlich nicht so richtig warum, die ganze Stadt ersäuft in Autos!
Mit einem der unzähligen Busse, die im Minutentakt den ZOB vor dem Bahnhof ansteuern, fahre ich in die Oberstadt hinauf.
Zwischen Beton und Stadtautobahnen gelingt von dort sogar ein Eisenbahnfoto.
Beim Fußweg hinunter zum Hauptbahnhof komme ich dann doch noch an ein paar hübschen Ecken vorbei.
Blick auf das Untere Schloss.
Das also war Siegen... Ich hoffe, niemandem zu nahe zu treten, wenn ich meinen Eindruck auf
"eine bedingt schöne Stadt in einer wunderschönen Umgebung" zusammen fassen kann.
Außerdem gibt es dort eindeutig zu viele Autos!
Ich verlasse Siegen mit einem Intercity nach Frankfurt/Main, der gerade von einem Bus überfahren wird.
Nach mehreren pünktlichen Tage tauche ich in in Frankfurt in die reale Fernverkehrswelt des Jahres 2024 ein.
Mein IC bekommt keine Einfahrt, ICE nach Stuttgart weg, der nächste zu spät... Ergebnis:
gut eineinhalb Stunden Verspätung am Ziel und später 25% des Fahrpreises zurück.
Tag 12:
Zum Abschluss der Sommertour geht es noch einmal nach Bayern. Dorthin war ich -
mit Ausnahme der eher zufälligen Fahrt via Marktredwitz - noch gar nicht unterwegs.
So fahre ich zunächst mit dem "Roten Intercity", dem IRE 200, mit einer ebensolchen Geschwindigkeit über die Neubaustrecke
bis Ulm. Von dort weiter nach München droht im Nahverkehr abschnittsweise Schienenersatzverkehr,
sodass ich mir ab Ulm den ICE nach München gönne. Von dort aus fahre ich nach Burghausen -
die Strecke von Mühldorf nach Burghausen fehlte mir immer noch zur Bereisung. Das wird nun heute nachgeholt.
Oben besteht Burghausen aus vielen rechten Winkeln und ist ziemlich austauschbar,
das gilt auch für den Bahnhof. Unten an der Salzach, unterhalb der "längsten Burg der Welt" wird es dann aber doch noch schön!
Gegen Mittag steuere ich dann via Mühldorf Rosenheim an. Unterwegs wird in Jettenbach ein Takt ausgesetzt.
Daraus werden dann aber zwei Takte, weil Jettenbach nur alle zwei Stunden mit einem Zughalt beglückt wird.
Aber egal! Das Wetter ist schön, keine Autobahn stört die Idylle,
und nach einer kleinen Wanderung entlang des Inns kommt sogar noch einer
der hier allgegenwärtigen 628 vor meine Linse gefahren. Diese Brücke ist übrigens jene,
die in den 1980ern wegen Baufälligkeit für den Zugverkehr gesperrt war.
Die damaligen Schienenbusse endeten jahrelang an den provisorischen Haltepunkten "Innbrücke Nord" und "Innbrücke Süd" vor
bzw. hinter der Brücke, die von den Reisenden zu Fuß auf einem ebenso provisorischen Bohlenbelag überquert werden musste.
Das Ziel, die Strecke stillzulegen, gelang der Bundesbahn aber nicht, sodass später diese neue Brücke erbaut wurde.
Rund um Mühldorf bekommt man einen 628-Overkill. RB Rosenheim - Mühldorf zwischen Innbrücke Süd und Innbrücke Nord.
Anschluss an den Filzenexpress. Einst ebenfalls stilllegungsbedroht, soll er nun zur S-Bahn werden.
Vielleicht auch bis Wasserburg Stadt?
Der späte Nachmittag steht im Zeichen eines ziemlich einzigartigen Zugverkehrs: Wenn in Rosenheim Jahrmarkt ("Wiesn") ist,
werden mit Unterstützung einer lokalen Brauerei Zubringerfahrten mit dem Zug angeboten.
Das ist sicher nicht ganz uneigennützig, denn ohne Auto können die Besucher hemmungsloser dem Gerstensaft zusprechen.
Besonderheit 1 ist, dass diese Fahrten auf der sonst nicht im Reisezugverkehr bedienten Strecke
Rohrdorf - Rosenheim stattfinden. Besonderheit 2 ist die Zugbildung aus der Rangierlok des Rohrdorfer Zementwerkes,
der ein völlig herunter gekommener Beiwagen eines "Esslinger"-Triebwagens angehängt wird.
Aus mir unerfindlichen Gründen gilt an jedem der Fahrtage ein anderer Fahrplan.
Heute wird bei Tageslicht zwei Mal gefahren, das muss ausgenutzt werden.
Wiesn-Express Rohrdorf - Rosenheim. In Kombination mit einem in Rosenheim gebuchten
Car-Sharing-Wagen und dem bahnparallelen Linienbus kann ich eine Runde mitfahren und eine mit der Kamera begleiten.
Jo mei! Mit diesem Bild vieler fröhlicher Fahrgäste in lokaltypischem Outfit bedanke ich mich bei euch für´s Mitkommen!
Mal sehen, wohin die Gleise im nächsten Sommer führen!

Heiko
www.desiro.net |